Dass wir nach fünf Jahren Fernbeziehung nun endlich in unser erstes gemeinsames Zuhause ziehen können, haben wir einem eher unglücklichen Umstand zu verdanken: dem trotz langer Krankheit doch eher unerwarteten Tod meiner Mutter
Anfang der 1960er Jahre lernten meine Eltern sich kennen. Mein Vater wuchs an der schönen Mosel als jüngstes von sechs Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen auf. Seine Mutter verstarb, als er gerade erst drei Jahre alt war. Meine Patentante Gertrud musste schon im frühen Kindheitsalter den Haushalt schmeissen, während sich der älteste Bruder Gottfried zum Familienoberhaupt aufschwang und mit harter Hand regierte. Mein Opa verbrachte seinen Tag in den Weinbergen, verdiente er doch sein Geld als Winzer. Auch nach seiner Volksschulzeit war mein Vater noch dazu verdonnert im väterlichen Betrieb mitzuhelfen.
Auch wenn seine Zeugnisse besseres hergaben, und seine Lehrer ihm zu einer Banklehre rieten, entschied er sich zum Arbeiten unter freiem Himmel. Er war schon fast 20 Jahre alt, als er seine Maurerlehre in Cochem begann. Gute drei Jahre später zog er nach Mönchengladbach, um meine Mutter zu heiraten. Sie war die jüngste von vier Schwestern und auch hier keine Spur von Reichtum.
Die Hochzeit der beiden fand im August 1962 statt. Meinen ersten Geburtstag im Juni 1967 konnte ich schon im neuen Eigenheim feiern. Ohne Startkapital, dafür aber mit Ehrgeiz, Fleiß und Sparsamkeit hatten meine Eltern ihren Traum vom Eigenheim verwirklicht. Möglich war das nur durch harte Akkordarbeit, massig Überstunden, Nebenjobs und die Mithilfe seiner Kollegen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite war da aber auch meine Mutter, welche die Kohle zusammengehalten hatte. Während bei Besuchen bei meinen Tanten stets Quelle- und Neckermann-Kataloge gewälzt wurden, waren diese im Hause Friederichs verpönt.
Ich konnte gerade laufen, da hat man Vater mich zu dem gemacht, was ich heute bin: Borussenfan durch und durch. Das war aber nur möglich, weil unser damaliger und zukünftiger Nachbar bei den Amateuren von Borussia spielte und uns anfangs eine Jahreskarte für 25 D-Mark besorgen konnte. Glaubt mir: wenn es eine Stadionwurst gab, dann höchstens für mich. Mein Vater hat höchstens mal ein Stück abgebissen. Eine eigene hat er sich nie gegönnt. Zu sparsam war er dafür.
Heute gehen wir durch die Räume am Gatherskamp, und Bine wundert sich über den Starkstromanschluss in meinem Kinderzimmer im Obergeschoss. Ja, den hat mein Vater 1966 eingeplant für den Fall, dass der Junge hier später mal einzieht und eine Küche braucht! Ja, ich war Wunschkind der beiden, und sie hatten ihr ganzes Leben auf mich abgestellt.
Leider hat mein Vater die Früchte seiner harten Arbeit nie ernten dürfen. Viel zu früh, nur zwei Tage nach seinem 54. Geburtstag, war sein von Arbeit geprägtes Leben bereits vorbei. Der Kredit für das Haus war zu diesem Zeitpunkt bereits lange abbezahlt. Dennoch hatte meine Mutter kein leichtes Erbe angetreten, hatte sie doch meinem Vater versprochen, das Haus für mich nach Möglichkeit zu erhalten. Nicht nur, dass die Schulden getilgt waren, nein, sie hatten auch inzwischen ein beträchtliches Sümmchen angespart. So konnte meine Mutter die spärliche Witwenrente noch mit den Zinserträgen aufpäppeln. Dass diese in den letzten Jahren aufgrund des Zinsniveaus eingebrochen sind, bedarf hier keiner Erwähnung.
Trotzdem hat meine Mutter die Ersparnisse nie aufgezehrt. Im Gegenteil, sie hat es noch geschafft, diese zu vermehren. Vermehren für den Fall, einmal ein Pflegefall zu werden. Jahrelang hat sie sich krummgelegt, um mein Elternhaus für mich zu erhalten. Sie hätte es nicht verkraftet, wenn es am Ende für ein Pflegeheim draufgegangen wäre.
Und nur so gelingt es mir, den unerwarteten Tod meiner Mutter zu akzeptieren und nicht damit zu hadern. Gestorben ist sie nicht an ihrer langen Krankheit, sondern an einer heutzutage 0815-OP. Der Einsatz einer neuen Herzklappe hat zu einer tödlichen Komplikation geführt, die so nicht wirklich zu erwarten war. Ob das zu vermeiden gewesen wäre, vermag ich nicht zu sagen. Sie hat diese OP nicht gewollt, soviel steht fest. Aber wie auch mein Vater, hat sie ä Lääve vür de Jong geführt. Und das hat sich am Ende wenigstens gelohnt. Das Haus fällt keinem Fremden in die Finger.
Ich habe im August 2020 ein Erbe angetreten. Ein Erbe anzutreten bedeutet für mich nicht, nur die Annehmlichkeiten zu genießen und das Vermögen auf den Kopf zu hauen. Vielmehr sehe ich mich auch in der Pflicht, auch wenn das nirgendwo geschrieben steht, den Willen und Wünschen der Erblasser gerecht zu werden und das Erbe in ihrem Sinne fortzuführen und in ehren zu halten. Gut, dass ich in Bine eine Partnerin an der Seite habe, die das genauso sieht und mich bei dem Anliegen auch zukünftig unterstützen wird.
Danke an die besten Eltern der Welt!